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Saisonalität in der Nahrungsaufnahme von Wildkaninchen

 
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Murx Pickwick
Quoten-Kobold


Anmeldungsdatum: 23.07.2005
Beiträge: 4622
Wohnort: Runkel

BeitragVerfasst am: 07.08.2009 16:37    Titel: Saisonalität in der Nahrungsaufnahme von Wildkaninchen Antworten mit Zitat

Schon in Boback ist von Schäden durch Kaninchen in Getreidefeldern, Obstbaukulturen, Weinbaugebieten und Forsten zu lesen, man kann die Schäden ganz grob in drei Kategorien einteilen:
- Abernten von Getreideähren und Benagen von Hackfrüchten (Blätter, Wurzel), Fressen von Eicheln und Jungbäumen
- Im Winter Schälen von Ästen und Bäumen
- Schäden durch das Anlegen ihrer Baue

Ich selbst kann das Schälen von Bäumen und Ästen zwar bestätigen, jedoch fangen hier in Hessen die Kaninchen schon Ende Juli/Anfang August damit an und nicht erst im Winter, wie in Boback geschrieben, meist etwas zeitversetzt zur vermehrten Aufnahme von leicht verdaulichen Kohlenhydraten in Form von reifen Grassamen, Getreide (insbesondere Biohafer und Gerste ist hier besonders bedroht), Fallobst, Beeren und Wurzeln einschließlich Hackfrüchte und Kartoffeln, Eicheln, teilweise sogar Kastanien. Bucheckern selbst werden scheinbar solange verschmäht, bis diese im Frühling auskeimen, erst dann werden die Jungbuchen verbissen.

Merkliche Schäden treten hier nicht auf, dazu sind die Kaninchen einfach zu selten, sie können sich auf dem lehmigen Boden nicht wirklich gut halten. Hier sind sogar teilweise offene Nester unter Büschen zu finden - nicht sonderlich ideal, die Totalverluste sind hier entsprechend hoch. Oft kommen von vier Würfen nur einer hoch.

Auffällig ist, daß die Kaninchen im Frühjahr angebotene Mehlsaaten kaum annehmen, im Sommer ab Juno/Juli, zur Reife der Gräser, jedoch mehr und mehr sich von ausgelegten Mehlsaaten anlocken lassen. Ab Sommer werden zumindest hier in der Gegend oft längere "Wanderungen" bis zu 1000m vom Revier weg unternommen, um an reife Grassamen, Fallobst etc heranzukommen. Die Kaninchen fühlen sich auf solchen Wanderungen sichtlich unwohl, sind unsicher, schreckhaft und überaus ängstlich, oft rennen sie bei der kleinsten Kleinigkeit mit Vollspeed wieder zurück zu ihren Revieren, um nach einiger Zeit einen weiteren Anlauf zu wagen ... die Aufnahme von Stärke und Zucker scheint also im Sommer und Herbst für sie immens wichtig zu sein, wenn sie derartige Strapazen auf sich nehmen.

Es wird nach Angebot gefressen, dabei scheinen Kaninchen in ehemaligen Streuobstwiesen immer noch die besten Bedingungen vorzufinden, da erst Süßkirschen reifen und fallen, danach sind es einige alte hier angebaute Pfirsichsorten, Apfelsorten und Mirabellen, um schließlich in die spätreifen Apfelsorten, Birnen, Pflaumen etc überzugehen - einzig Quitten werden hier nicht angerührt, alles andere Obst, teilweise sogar Johannisbeeren, wird gefressen und das in großen Mengen! Teilweise hab ich die Kaninchen nur beim Obstfressen beobachten können.
Auf Wiesen verrenken sich die Kaninchen teilweise, um bei hohem Gras an die Rispen zu kommen, auch hier wird viel Zeit investiert, reife Samenstände zu finden und abzuernten. Wo Getreidefelder in den Revieren oder zumindest in der Nähe der Reviere liegen, wird das Getreide regelrecht vom Rand aus abgeerntet, indem die Getreidehalme direkt über dem Boden abgebissen werden und dann die Rispen und Ähren ausgefressen werden. Die langen Grannen der Gerste bleiben dabei liegen und werden nicht mitgefressen, ebenso die Spindel der Gerstenähre, auch diese bleibt liegen. (Meine eigenen Kaninchen fressen Gerstenähren vollständig mit Granne und Spindel). Haferrispen werden meist vollständig gefressen. Selbst Mais wird bis in ca. 40cm Höhe abgeerntet, wobei hier die Blätter um die Kolben regelrecht abgezogen werden und dann nur die Körner abgefressen werden. (Auch hier sind meine Kaninchen anders, sie fressen die ganze Maispflanze einschließlich des oberen Stengels, nur der untere Stengel und die Wurzeln und der Kolben ohne Maiskörner bleiben übrig).
Die Eichenernte beginnt meist, wenn keine Grassamen mehr zu finden sind und artet in einer regelrechten Eichenmast aus - auch hier verwenden die Kaninchen oft deutlich mehr Zeit im Sammeln der Eicheln, wie mit fressen von Kräutern. Mich wundert immer mehr, daß mir das früher noch nie aufgefallen ist, insbesondere nicht bei den berliner Kaninchen, die doch meist recht gut zu beobachten sind - oder sollten diese genügend Brot in der fraglichen Zeit finden und fressen, daß sie erst gar nicht an Eicheln gehen?
Eicheln stehen den Kaninchen meist bis in den November zur Verfügung, wo viele Eichen stehen, sogar bis weit in den Januar.
Nüsse, egal, ob ich sie angeboten hatte, oder ob Nußbäume im Revier standen, wurden nach meiner Beobachtung nicht gefressen, fehlten die Nüsse anderntags, waren meist Eichhörnchen nicht weit ... auch Ölsaaten sind nicht so der Renner im Herbst, Mehlsaaten sind viel toller ...

Auffällig ist das Schälen von Zweigen und Ästen in dieser Zeit, ich hab bisher nirgendwo gelesen, daß die Kaninchen schon im Spätsommer/Herbst damit anfangen, eigentlich steht überall immer das Schälen im Zusammenhang mit dem Winter! Nun hört das Baumrindenschälen hier meist gegen Dezember/Januar auf - also ausgerechnet mitten im Winter!
Besonderheit der hiesigen Gegend?

Im Winter scheinen sich die Kaninchen hier hauptsächlich von Knospen und Speicherwurzeln von Wiesenrandpflanzen zu ernähren, sie graben regelrecht danach, trotzdem diese im frostharten Lehmboden für die Kaninchen kaum auszugraben sind. Weiterhin stehen im Winter offenbar etliche Gräser, auch Binsen etc, und junge Nadelbäume auf dem Speiseplan. Soweit noch vorhanden, werden sogar gefrorene Äpfel gefressen. Weiterhin finden sich im Kaninchenrevier keine Vorkommen von Vogelmiere und ähnlich unter Büschen grün überdauernde Kräuter, ich nehme an, daß diese im Winter vollständig von den Kaninchen abgefressen werden, die Kräuter auf den Wiesen dagegen überstehen selbst in ausgesprochenen Kaninchenrevieren die Kaninchen recht gut. Ich vermute, daß das damit zusammenhängt, daß unter den Büschen nicht so viel Schnee weggeschaufelt werden muß, um an die Kräuter zu kommen.
Weiterhin wird im Winter vermehrt Efeu geknabbert. Mir ist in einigen der hiesigen Reviere trotzdem immer noch ein Rätsel, von was die Kaninchen zwischen Dezember und Februar leben, denn wie gesagt, neue Schälstellen konnte ich in keinem der Reviere in dieser Zeit beobachten, spätestens ab Januar blieben die Bäume unberührt und es wurden nur noch Knospen in erreichbarer Höhe abgeweidet. Sollten sie auch verwesende Blätter nutzen können?
Oder reichen ihnen Knospen, Jungbäume und Kräuter/Speicherwurzeln?

Ab Frühjahr stehen wieder junge Kräuter und junge Gräser auf dem Speiseplan, im Sommer werden viele Kräuter gefressen, insbesondere Bärenklau und Wiesenkerbel kommen auf Wiesen, die in Kaninchenrevieren liegen, kaum mehr vor. Oft zeichnen sich hier Kaninchenwiesen durch auffälliges Fehlen hier häufig vorkommender Kräuter aus. Kaninchenfreie Wiesen dagegen zeigen teilweise viel Wiesenkerbel, und wenn nicht den, dann doch zumindest viel Spitzwegerich und Löwenzahn. Auch Giersch scheint stark verbissen zu werden und kommt in Kaninchenrevieren deutlich weniger vor wie in kaninchenfreien Zonen.

Insgesamt scheint die Aufnahme stärke- und zuckerreicher Kost im Spätsommer bis in den Winter hinein sehr wichtig für die Kaninchen zu sein, das frühzeitige Schälen der Bäume könnte damit im Zusammenhang stehen, da Lignin im Darm zu Phenolen abgebaut wird, welche ein übermäßiges Wachstum von stärke- und zuckerabbauenden Bakterien im Darm verhindern würde. Das wiederum steht im Widerspruch zu vielen im Tierschutz gemachten Annahmen, daß Kaninchen keine Stärke- und zuckerreiche Kost brauche und selbst Obst nur selten verfüttert werden sollte ...
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Marx ist die Theorie
Murx ist die Praxis!

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"Der Besitzer dieses Dokumentes ist berechtigt, sich seines Verstandes zu bedienen, Informationen zu produzieren, replizieren und konsumieren, sich frei und ohne Kontrolle zu entfalten in Privatsphäre und Öffentlichkeit.

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