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Ogada: "Naturschutz ist der neue Kolonialismus"

 
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davX
Team


Anmeldungsdatum: 08.06.2004
Beiträge: 8494
Wohnort: Schweiz

BeitragVerfasst am: 06.08.2020 08:35    Titel: Ogada: "Naturschutz ist der neue Kolonialismus" Antworten mit Zitat

Ein sehr aufschlussreiches Interview mit dem kenianischen Ökologen Mordecai Ogada.

Gotschalk, G. (2020): Naturschutz ist der neue Kolonialismus. Geo 08/2020 / online:
https://www.geo.de/natur/oekologie/23131-rtkl-umweltschutz-afrika-naturschutz-ist-der-neue-kolonialismus


Seine Kritik ist vielfältig. Manches daran ist nicht neu, wie er aber die Dinge auf den Punkt bringt, habe ich so bisher noch nirgendwo gelesen. Er vereint soziale und gesellschaftliche Kritik mit Mängeln an dem ökologischen Denken und veralteten Konzepten von Naturschutz, die in Zeiten des Kolonialismus hängengeblieben sind.

Soziale Kritik
- Im Naturschutz in Afrika sind immer noch die alten, rassistischen Muster aus der Kolonialzeit konserviert geblieben: Weisse Männer gelten als letzte Instanz der Weisheit, auch wenn sie Afrikanern vom Wissen her unterlegen sind. Afrikaner können im Naturschutz nur bestehen, wenn sie die Vorherrschaft dieser weissen Männer und diese kolonial geprägten Strukturen akzeptieren.
- Gelder für den Naturschutz stammen oft von liberalen, eher linken Spendern aus dem Westen und fliessen in die Militarisierung des Naturschutzes, in Privatarmeen und Waffen, die von amerikanischen Rüstungs- und Sicherheitsfirmen unterhalten werden und fördern somit rechte Strukturen, welche letztlich auch für die afrikanische Bevölkerung und für den Staat, der durch solche private Paramilitärs untergraben wird, schlecht ist.
- Naturschutz in Afrika bedeutet immer noch das aussperren des Menschen, die veraltete Idee, dass man einen Zaun um ein Stück Natur machen könne und es somit vor schlechten Einflüssen von aussen und vom Menschen schützen und für die Nachwelt konservieren könne. Damit wird total verkannt, dass viele Lebensräume wie die Savannen erst in Zusammenarbeit mit dem Menschen entstanden sind und dass der Mensch und die Art und Weise, wie er sie bewirtschaftet, auch einen wichtigen Anteil hat, damit diese Lebensräume erhalten werden. Zudem hindern die Zäune oft wilde Tiere an Migrationsbewegungen, welche man den Tieren nicht mehr eingestehen will, da die Teile, die die Tiere früher nutzten, der Mensch aus wirtschaftlichen Gründen für andere Zwecke nutzen will. Statt dass Wildtiere und Viehwirtschaft als sich gegenseitig unterstützend gedacht wird, versucht man mit Zäune das zu trennen, wodurch viele Probleme erst entstehen oder noch verschlimmert werden.

Kritik am ökologischen Verständnis und am Naturschutzverständnis
- Naturschutz als Selbstzweck, NGOs die sich in Afrika selbstverwirklichen
- Veraltete Ideen des Konservieren und Einzäunen, das Ignorieren von Jahrtausenden der Koevolution von Mensch und Ökosysteme in Afrika. Statt auf Bewährtes Landmanagement und Viehwirtschaft setzt man auf ideologisch simplifizierte Konzepte, wie Ökosysteme und Naturschutz funktionieren soll, die veraltet ist und sich lange schon als falsch erwiesen hat und letztlich mehr Schaden und Zerstörung anrichtet, als sie hilft.
- Naturschutz als wirtschaftliche Basis und ihre Verquickung mit Tourismus. Auch hier wieder ist das Problem, dass nicht auf Nachhaltigkeit gesetzt wird, sondern dass der Naturschutz zum Selbstzweck verkommt und den Bedürfnissen des Tourismus unterworfen wird, statt dass man sich darauf besinnt, was in den letzten Tausenden von Jahren wirklich funktionierte, damit diese Ökosysteme sich bilden konnten und erhalten blieben. Sollte der Naturschutz wirklich nachhaltig sein, müsste Landmanagement und Viehwirtschaft dessen Basis sein und Tourismus höchstens ein Nebenprodukt davon.



Zitate aus dem Artikel:

Wie Zäune und das Denken der Natur ohne Menschen zu Probleme führen:

"Aber was wir derzeit machen, ist so primitiv. Leute mit Doktortitel, denen nichts anderes einfällt, als Zäune zu ziehen. Wir wissen alle, dass Zäune zu Konflikten führen."

"Wegen des Zauns können aber die Menschen dort ihre ­Herden nicht mehr tränken. Sie zerschneiden den Zaun und werden verhaftet. Das ist ein Konflikt, den es ohne Zaun nicht gäbe. Naturschutz ist nicht nur Biologie. Er ist Soziologie, Geschichte, Politik, ­Anthropologie. Diese Nashörner leben nicht auf einer einsamen Insel. Und somit trägt die Wissenschaft zur Apartheid bei."

"Menschen sind seit Millionen von Jahren ein Teil der Landschaft in Ostafrika. Das ist eine weitere Lüge, die uns im Globalen Süden hart trifft: Unsere Anwesenheit in diesen Lebensräumen sei nicht natürlich."


Viehzucht als verkanntes Mittel zum Naturschutz:

"Viehzucht ist der einzige Grund, warum wir noch offene Savannen haben. Warum so viele Gebiete in Kenia nicht eingezäunt sind. Wild lebende Tiere nutzen die Pfade der Viehherden. Würden wir die Viehzucht abschaffen, wie Naturschut­z­organisationen das versuchen, dann würde das Land aufgeteilt und eingezäunt werden."

"Falls es eine Zauberformel gibt, um die Probleme mit Naturschutz in Ostafrika zu lösen, dann ist es Viehzucht."


Im Naturschutz wird Misserfolg belohnt:

"Naturschutz ist das einzige Gebiet, auf dem wir Versagen belohnen. Wir verehren die, die sagen: Seit 40 Jahren kämpfe ich für diese Tierart. Wenn Sie als Ingenieurin 40 Jahre lang an einem Problem arbeiten, ohne es zu lösen, dann verlieren Sie Ihren Job. Aber Naturschützer bewundern wir für ihre Ausdauer. Dabei haben sie 40 Jahre lang nichts gemacht oder das Falsche."
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Anmeldungsdatum: 23.07.2005
Beiträge: 4622
Wohnort: Runkel

BeitragVerfasst am: 06.08.2020 22:05    Titel: Re: Ogada: "Naturschutz ist der neue Kolonialismus" Antworten mit Zitat

Mordecai Ogada spricht mir aus der Seele!
Das, was in Afrika an "Wildnis" noch vorhanden ist, das sind zahme Tiere in einem Serengetipark, nix weiter ... wo weiterhin die Augen der meist westlich geprägter Natürschützer vor verschlossen werden bzw die Klimaerwärmung als böser Buhund vorgeschoben wird, das ist die fortschreitende Desertifikation riesiger Gebiete Afrikas - auch innerhalb gut behüteter Naturschutzgebiete.

Dabei gibt es bisweilen die wenigen guten Beispiele ... Beispiele, wo Menschen dazu ermuntert werden, wieder ihr traditionelles Leben aufzunehmen und eigenverantwortlich Naturschutzgebiete verwalten - einschließlich von Viehhaltung innerhalb der Naturschutzgebiete. Oder wo Permakulturen und ähnliche Systeme eingeführt werden und so mit kombiniertem Pflanzenanbau und Viehhaltung der Desertifikation Einhalt geboten wird.
So selten diese wenigen Beispiele sind, so gut funktioniieren sie selbst nach wenigen Jahren, während die westlich geprägten Tourismus-Serengetiparks zunehmend verlottern und immer wieder zu massivem Tiersterben aufgrund zunehmender Austrocknung der Landschaft führen.

Es ist nicht die Klimaerwärmung, es ist das westliche Mißmanagement in Afrika, was zu Hungersnöten und weiträumig zerstörten Land führt ...
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