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Tierpark Hagenbeck, Hamburg

 
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davX
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Anmeldungsdatum: 08.06.2004
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BeitragVerfasst am: 22.05.2016 01:10    Titel: Tierpark Hagenbeck, Hamburg Antworten mit Zitat

Huhu,

ich habe mir gedacht, dass der eine oder andere Zoo durchaus lohnenswert wäre, dass er einen kleinen Beitrag hier bekäme. Seit ich in der BAG Kleinsäuger bin, bin ich zu einem Vollblut-Zoogänger geworden und die eine oder andere Perle ist da schon dabei. Mit Fotos ist es so eine Sache, manche Zoos sind da sehr strikt, gerade Hamburg ist meines Wissens auch so ein Kandidat. Ach ja, falls jemand denkt, er hätte auch noch Interessantes zu einem behandelten Zoo zu erzählen, seid so frei und ergänzt. Das soll keine One-(Wo)Man-Show werden... Wink

Was ist an Hagenbeck besonders?
Fangen wir doch mit der interessantesten Frage an, wieso sollte man nach Hamburg reisen? Hat der Zoo was Aussergewöhnliches zu bieten? Ja, vorallem Geschichte hat er viel zu bieten. Carl Hagenbeck revolutionierte anfangs des 20. Jahrhundert die Gehegegestaltung im Zoobetrieb, indem er die Nutzung von Kunstfelsen einführte und auch stark dafür lobbyierte. Er entwickelte das Felspanorama, das ist ein zentraler, markanter und hoher Kunstfels in der Mitte des Zoos (der bis heute überlebt hat), darum herum gruppieren sich dann verschiedene Gehege. Von Weitem betrachtet, ergibt sich ein faszinierendes Bild von Tieren, dem Felsen und der Landschaft in die sich das alles integriert. Da die Gehege natürlich begrenzt sind (in der Regel mit Gräben) und keine störenden Gitter haben, sieht man so verschiedene Tierarten nebeneinander (bzw. eigentlich hintereinander), die aber im Zoo getrennt gehalten werden müssen. Ein weiteres historisches Highlight ist die Polaranlage, die es zwar früher auch schon gab, aber komplett neu gebaut wurde und sehr beeindruckend ist.

Bemerkenswerte Tierhaltungen
Auch hier gibt es ein ultimatives Highlight, im Park laufen frei Maras herum. Als Rückzugsgebiete haben sie grosse Wiesen, die mit Schilder versehen sind, die darauf hinweisen, dass Besucher sie nicht betreten dürfen. Man kommt recht gut an die Tiere heran und kann sensationelle Fotos machen. Dazu kann es sein, dass plötzlich nach einer Kurve Maras vor der Nase über den Weg laufen und später im nächsten Gestrüpp verschwinden.
Was mir auch sehr gefallen hat, waren die Wildmeerschweine, die im Australien- und Ara-Haus untergebracht sind. Es sollen angeblich Cavia aperea sein, jedoch waren sie recht tagaktiv und sehr sozial (Grossgruppe von ca. 10-15 Tiere) sodass ich eher auf eine andere Art tippe (Cavia magna??). Früher waren vermutlich in diesem Gehege Degus untergebracht. Ich bin mir da nicht ganz sicher, aber aufgrund der Beschreibung eines Geheges mit einem hohen Stamm, auf dem oben Degus sassen, vermute ich, dass es das selbe Gehege ist.
Auch die Meerschweinchenhaltung ist witzig, in einem liebevollen Gehege mit kleinen Hüttchen, die aussehen wie Miniatur-Wohnhäuser und liebevoll farbig verziert sind, dazu ist der Untergrund kurze Rasenwiese, was ebenfalls attraktiv wirkt.

Nicht gesehen hatte ich das Tropenhaus, für das man extra Eintritt zahlen muss, in diesem werden exotische Tiere, gezeigt, dort hat es die Aquarien und auch Regenwald usw. Aber der Besuch war auch ohne genug Programm und damit hätte ich einen guten Grund für einen weiteren Besuch in Hamburg.

Wo liegt der Zoo?
Für mich ist das auch kein unwichtiges Kriterium. Zoos, die sehr abgelegen liegen, sind für mich ohne Auto recht mühsam. Ideal ist eine gute Fussdistanz von einem Bahnhof, zur Not tuts auch eine Buslinie, mit der der Zoo erreichbar ist. Hagenbeck liegt etwas nördlich von Hamburgs Zentrum und ist vom Bahnhof (Name weiss ich nicht mehr, kann man aber googlen *g*) zu Fuss gut erreichen, wenn man ein bisschen fit ist. Es fahren aber auch Busse und in der Nähe hat es meines Wissens eine U-Bahn Station.

Gesamteindruck
Hagenbeck gehört nicht zu den Topzoos Europas, hierin stimme ich mit Sheridan überrein (dieser bringt das renomierte Zooranking heraus), aber er gehört sicher zu den wichtigeren Zoos. Vorallem historisch betrachtet ist er von Bedeutung. Die Tierauswahl ist recht ausgewogen, kann mit ein paar selteneren Exoten aufwarten, ist aber insgesamt eher klassisch vom Bestand. Das Angebot an Kleinsäugern sticht nicht hervor, hat aber doch ein paar interessante Arten dabei. Was man gesehen haben sollte, sind natürlich die Kunstfelsanlagen. Das Urteil ist insofern nicht komplett, da ich das Tropen- und Aquarienhaus gänzlich ausklammern muss. Dieses hat vermutlich eine Fülle von exotischen Tieren zu bieten, ich vermute, dass Insekten und Wirbellose, aber auch die Terraristik und eventuell auch die Kleinsäuger noch die eine oder andere Überraschung bieten könnten.
Der Eintritt ist eher teuer, da man Zoo und Tropenhaus einzeln lösen kann, ist auch denkbar beide nacheinander zu besuchen. Der Vorteil dabei ist, dass man mehr Zeit hat und sich den Zoobesuch flexibler gestalten kann.
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BeitragVerfasst am: 22.05.2016 23:42    Titel: Re: Tierpark Hagenbeck, Hamburg Antworten mit Zitat

Zur Geschichte des Zoos kann man noch anmerken, daß Carl Hagenbeck der Erste war, der Völkerschauen in Europa veranstaltete. Außerdem war er der größte Importeur von Volksangehörigen für diese Ausstellungen.
Das erste Volk, was auf diese Art und Weise ausgestellt wurde, waren Lappländer ...

Die Schauen wurden sehr erfolgreich, die Ausgestellten wurden mit Versprechungen und vermutlich auch mit Zwang in diesen Ausstellungen gehalten, aber selten wie versprochen bezahlt, wer krank wurde, hatte halt Pech gehabt ... insgesamt war die Zurschaustellung von Menschen auch nicht viel besser, wie die Zurschaustellung anderer Tierarten. Unangenehmer Art und Weise wurden jedoch schon bald medizinische Untersuchungen Pflicht - fiel wohl der Allgemeinheit doch auf, daß es sich um Menschen handelte ...

Der Ruhm des Tierparks Hagenbeck basiert hauptsächlich auf diesen Völkerschauen - die Menagerie dagegen war schon damals eher unbedeutend, und die erste gitterlose Ausstellung war die Ausstellung ... nun, wer erräts ... eben dieser Völkerschauen!
Selbst die Vorläufer der Kunstfelsen wurden für diese Völkerschauen angefertigt ...

Über die dunkle Seite der Geschichte Hagenbecks wird nicht gern berichtet, auf deren Seite war bei meinem letzten Besuch nichts vermerkt ... da wird dann lieber drauf rumgeritten, daß Tierpark Hagenbeck die ersten gitterlosen Tiergehege hatte.
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"Der Besitzer dieses Dokumentes ist berechtigt, sich seines Verstandes zu bedienen, Informationen zu produzieren, replizieren und konsumieren, sich frei und ohne Kontrolle zu entfalten in Privatsphäre und Öffentlichkeit.

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Anmeldungsdatum: 08.06.2004
Beiträge: 8494
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BeitragVerfasst am: 27.05.2016 21:34    Titel: Re: Tierpark Hagenbeck, Hamburg Antworten mit Zitat

Zitat:

Zur Geschichte des Zoos kann man noch anmerken, daß Carl Hagenbeck der Erste war, der Völkerschauen in Europa veranstaltete. Außerdem war er der größte Importeur von Volksangehörigen für diese Ausstellungen.
Das erste Volk, was auf diese Art und Weise ausgestellt wurde, waren Lappländer ...

Hmm, ja das passt ganz gut. Er hatte anfänglich auch diese Wanderzoos, welche seine Tiere zeigten. Unter anderem waren seine Tiere auch an der Expo in Paris. Und für diesen gab es dann auch so eine Felsenkulisse, die glaubs später zu einem regulären Zoo wurde. Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, aber ich glaube dieser Zoo bei der ehemaligen Expo hat erst kürzlich die Tore geschlossen für eine etwa einjährige Totalrenovation... eigentlich auch etwas, das es sonst kaum gibt, dass ein Zoo für so lange Zeit zu macht für einen Totalumbau.

Zitat:

Der Ruhm des Tierparks Hagenbeck basiert hauptsächlich auf diesen Völkerschauen - die Menagerie dagegen war schon damals eher unbedeutend, und die erste gitterlose Ausstellung war die Ausstellung ... nun, wer erräts ... eben dieser Völkerschauen!

Oh echt? Das hat mich jetzt echt erstaunt. Zwar erscheint es mir, wenn ich jetzt darüber nachdenke sehr logisch, weil es macht sich eben nicht so gut, wenn man sagt, dass die gitterlose Haltung seine Ursprünge nicht in der Tierhaltung hat... aber es ist eben schon ein Umstand, der gerne unter den Teppich gekehrt wird und ehrlich gesagt, ich kann es durchaus nachvollziehen.

Der Zoo Basel hatte übrigens auch Völkerschauen. Weisst du vielleicht etwas darüber, ob da Hagenbeck auch seine Finger im Spiel hatte und ob sie dort damals eventuell auch Kunstfelsen à la Hagenbeck hatten? Basel machte aber über ihre Vergangenheit kein so grosses Geheimnis, bzw. wurde das in verschiedenen Publikationen erwähnt... das war damals der Zeitgeist und gehört halt auch zur Geschichte, ob man es jetzt gut findet oder nicht.

Zitat:

Selbst die Vorläufer der Kunstfelsen wurden für diese Völkerschauen angefertigt ...

Okay, das wiederum erstaunt mich nicht so sehr.

Zitat:

Über die dunkle Seite der Geschichte Hagenbecks wird nicht gern berichtet, auf deren Seite war bei meinem letzten Besuch nichts vermerkt ... da wird dann lieber drauf rumgeritten, daß Tierpark Hagenbeck die ersten gitterlosen Tiergehege hatte.

Naja, wenn wir schon dabei sind, wo findet man Infos zu diesen dunklen Seiten? Gibt es historische Dokumente oder gibt es Bücher, die dieses Thema aufgearbeitet haben?
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Zuletzt bearbeitet von davX am 28.05.2016 23:07, insgesamt einmal bearbeitet
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BeitragVerfasst am: 28.05.2016 10:27    Titel: Re: Tierpark Hagenbeck, Hamburg Antworten mit Zitat

Carl Hagenbeck selbst hatte viel auch zu dem Abenteuer finde passende Menschen für Völkerschauen veröffentlicht - äußerst spannend geschrieben, voller Stolz auf seine Leistungen und seine Reisen, wobei ich allerdings stark vermute, daß die weniger moralischen Verhandlungen von ihm arg geschönt wurden.
Ok, was da zum Teil wirklich abging, liegt im Dunkeln und läßt sich vermutlich nicht mehr aufklären.
Man kann allerdings von ausgehen, daß das Thema Versprechungen und Bezahlung eher so dem Thema Versprecher und Kost und Logis entsprach ... auch, wenn es in der damaligen Zeit anders dargestellt wurde, immerhin wurde dort teilweise von der Rettung der Menschen geredet (übrigens waren es die gleichen Rechtfertigungsargumente, wie man sie heute noch aus Zoo, Circus und Co zur Tierhaltung hört, insbesondere aus den privaten Haltungen. Selbst das Volk kann nur überleben, wenn wir sie ausstellen, war dabei ... )

Im Netz finden sich inzwischen immer mehr Bilder aus der Zeit der Völkerschauen, die Wikipedia hat einen zwar kurzen, aber sehr guten Eintrag zu dem Thema (wo übrigens auch die anderen großen Menschenimporteure mit aufgelistet sind, Carl Hagenbeck war nicht der Einzige) und es gibt etliche Aufarbeitungen dessen in verschiedenen Blogs und auf verschiedenen privaten Seiten.
Das Angebot wird zunehmend unübersichtlich ... aber mit dem Stichwort Menschenzoos bei Tante Google kommt man zu einem ganz guten Einstieg.

Übrigens ... viele Staaten versuchen sich in Wiedergutmachung ... die ersten erhaltenen Überreste der Toten aus solchen Menschenschauen, die aus Feuerland importiert wurden, wurden vor gar nicht allzulanger Zeit zu den letzten Angehörigen ihres Volkes gebracht.
Süddeutsche Zeitung: Reste des Menschenzoos
Das ist wohl nicht die einzige Aktion dieser Art, ich finde die anderen Artikel allerdings auf die Schnelle nicht wieder.

Soweit ich weiß, wurde Basel von einem der Konkurrenten von Carl Hagenbeck beliefert - Carl Hagenbeck hatte echte Probleme, seine Ware in die Schweiz zu verkaufen.
Du solltest hier was drüber finden:
Balthasar Staehelin: Völkerschauen im Zoologischen Garten Basel 1879–1935. Basler Afrika Bibliographien, Basel 1993
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BeitragVerfasst am: 28.05.2016 23:06    Titel: Re: Tierpark Hagenbeck, Hamburg Antworten mit Zitat

Zitat:

Carl Hagenbeck selbst hatte viel auch zu dem Abenteuer finde passende Menschen für Völkerschauen veröffentlicht - äußerst spannend geschrieben, voller Stolz auf seine Leistungen und seine Reisen, wobei ich allerdings stark vermute, daß die weniger moralischen Verhandlungen von ihm arg geschönt wurden.

Weisst du vielleicht noch wo er veröffentlichte? Das wäre sicher interessant.

Ich habe übrigens hier noch ein interessantes Buch, das sich kritisch mit der Geschichte der Tierschauen auseinandersetzt. Da habe ich jetzt auch was gefunden:
Zitat:

Die Tierschau

Hackaliah Bailey aus Somers, New York, hat das zweifelhafte Verdienst, Amerikas erste fahrende Tierschau gegründet zu haben. Das war um 1815, als er mit einem einzigen Elefanten, genannt "Old Bet", durch Neuengland tingelte. Den hatte er wahrscheinlich für 1000 Dollar von einem Kapitän gekauft, der ihn wiederum für 20 Dollar auf einer Auktion in London erworben hatte. [...] Bei Tageslicht stellte er den Elefanten in Scheunen und Gasthausgärten aus. Doch 1828 wurde Old Bet Opfer des rechtschaffenen, puritanischen Zorns bestimmter Leute in Neuengland, die glaubten, dass die Ausstellung eines Elefanten ebenso schändlich wie wie Theater, Kneipen und Tanzsäle. [...] Ein halbes Dutzend Schüsse wurde abgefeuert, und das grosse Tier fiel brüllend zu Boden - tot.

[...]

In England wurde 1807 von Captain George Wombwell die Wombwells Royal Menagerie gegründet, eine beeindruckende Sammlung von Tieren, die zumeist von ausländischen Schiffen stammten. [...] In leuchtend bemalten Wagen, die Dschungelszenen darstellten, reiste Wombwells Royal Menagerie mit Wildkatzen, Wölfen, Affen, Giraffen, Elefanten und Kamelen über die britischen Inseln und errang schliesslich solche Ruhm, dass er sogar fünfmal auf königlichen Befehl hin auftrat.

[...]

Für die Zuschauer unterschieden sich die Tiersonderlinge in der Tierschau nicht nennenswert von den menschlichen Sonderlingen in Abnormitätenkabinett oder in den Anstalten für geistig Behinderte. Es war ein Zeitalter, in dem Geisteskrankheit öffentlich zur Schau gestellt wurde. Besuche im Irrenhaus Bedlam waren eine von Londons grössten Attraktionen, Besucher mussten am Drehkreuz einen Penny Eintritt pro Person bezahlen. Bob Mullan und Garry Marvin in ihrem Buch "Zoo Culture": "In den Anstalten waren die oftmals kalten und feuchten käfigähnlichen Räume kaum mit mehr als Stroh und einem Bett ausgestattet, auf dem die 'Patienten' schliefen. Und die gefährlicheren unter ihnen waren oft angekettet. Verrückte wurden nicht als vollwertige menschliche Wesen behandelt, sondern man ordnete sie mit all ihrer Fremdheit eher der Tierwelt zu. Es ist bezeichnend, dass, was bei Tieren als normales Verhalten angesehen wurde - ihre ungezügelte Wildheit - beim Menschen mit Irrsinn gleichgesetzt wurde, der als unnormal angesehen wurde." Und geradeso, wie die Besucher von Bedlam die Insassen anstachelten und provozierten, so taten es auch die Besucher der Tierschauen, um einen Löwen zum Brüllen zu bringen, einen Bären zum Brummen oder einen Affen zum Kreischen.

Quelle: Johnson, William (1994): Entzauberte Manege. Der grausame Alltag der Tiere in Zirkus und Tierschau. Rowohlt, Reinbek. S. 36-38.

Es geht bei besagter Passage zwar nicht um Völkerschauen, aber es geht um Menschen und zeigt den damaligen Zeitgeist, dass eben nicht nur andere Völker und Kulturen als minderwertig behandelt wurden. Interessant ist aber auch der Kontext, in dem diese Tierschauen entstanden und dass anfänglich gerade religiöse Fundamentalisten die grössten Gegner solcher Veranstaltungen waren, und nicht etwa Tierschützer.

Zitat:

Soweit ich weiß, wurde Basel von einem der Konkurrenten von Carl Hagenbeck beliefert - Carl Hagenbeck hatte echte Probleme, seine Ware in die Schweiz zu verkaufen.
Du solltest hier was drüber finden:
Balthasar Staehelin: Völkerschauen im Zoologischen Garten Basel 1879–1935. Basler Afrika Bibliographien, Basel 1993

Das Exemplar in der Zentralbibliothek ist leider vermisst, aber ich könnte es bestellen. Mal sehen, wäre sicher eine interessante Sache.
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BeitragVerfasst am: 28.05.2016 23:07    Titel: Re: Tierpark Hagenbeck, Hamburg Antworten mit Zitat

Apropos dem Buch "Entzauberte Menage" habe ich auch einen eigenen Wiki-Beitrag gewidmet:
http://www.degupedia.de/wiki/index.php/Buch:Entzauberte_Manege
Er ist zugegeben momentan noch nicht so umfangreich.
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Anmeldungsdatum: 23.07.2005
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BeitragVerfasst am: 29.05.2016 17:36    Titel: Re: Tierpark Hagenbeck, Hamburg Antworten mit Zitat

Leider nein ... ich hab die Bücher bei meinem richtigen Vater zwischen dem 6. und dem 8. Lebensjahr verschlungen, nur ist mein Vater tot und ich kann ihn nicht mehr fragen, wo die Bücher hinkamen oder wo sie erschienen waren.
Ich glaub, die Bücher hießen von Tieren und Menschen von Carl Hagenbeck (oder so ähnlich ... ist einfach zu lange her.)

Eventuell findest du dazu etwas in der Wikipedia, was dir weiterhilft.
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