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 Betreff des Beitrags: Systematik der Nagetiere...
BeitragVerfasst: 30.01.2008, 01:24 
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Registriert: 02.05.2007, 20:50
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Huhu,

was hier nun folgt, habe ich in vergangener Zeit mühsam zusammengetragen. Als Urheber des Textes bin ich mal so frech und nutze das Privileg eines Urhebers, dass ich mich hier im Vollzitat wiedergebe:

Grundlagen der Systematik
Seit alters her, aber auch in der modernen Biologie besteht das Bedürfnis einer natürlichen Ordnung der Natur, welche sich in einangemessenes System abbilden lässt. Diese Aufgabe kommt heute der Systematik, einem Fachgebiet der Biologie zu. Für die Einordnung der Tiere (Klassifikation) müssen diese gegeneinander abgegrenzt und nach gemeinsamen Merkmalen gruppiert werden. Die so erhaltenen Gruppen (Taxa, Singular Taxon) werden wiederum in ein hierarchisches, baumförmiges System eingeordnet, dessen Grundeinheit die Art darstellt. Dabei werden nach abnehmenden Merkmalsähnlichkeiten die Arten zu Gattungen, diese zu Familien, Familien zu Ordnungen, etc. zusammengefasst. Diese Klassifikation der Arten wird auch als Taxonomie bezeichnet, welche ihrerseits wiederum als ein Teilgebiet der Systematik betrachtet wird. Allerdings setzen einige Wissenschaftler Systematik und Taxonomie gleich (Brechner 2002).

Für die Abgrenzung und Einordnung der Arten gibt es unterschiedliche Konzepte. Bei den Arten hat der von E. Mayr geprägte und geklärte Artbegriff grosse Bedeutung erlangt. Dieser besagt, dass eine Art eine abgegrenzte Gruppe von Individuen ist, welche untereinander ihre Gene tauschen, sprich sich fortpflanzen. Gegenüber Genvermischung anderen Gruppen sind sie durch Mechanismen abgeschirmt (Kunz 2002) oder vereinfacht ausgedrückt definiert sich eine Art durch die Zeugung von fortpflanzungsfähigen Nachkommen. Mit dem Art-Begriff ist es möglich, dass Arten gezählt werden können, um so z.B. die Biodiversitätz zu messen, was gerade für den Artenschutz von grosser Bedeutung ist. Auch wenn es Kritik an dem Artbegriff gibt, so hat sich dieses Konzept in der Praxis gut bewährt (Kunz 2002). Man darf dennoch nicht vergessen, dass Arten in der Praxis oftmals nicht so einfach voneinander abgegrenzt werden können, wie das die Theorie der Artkonzepte vorsieht. Das ist letztlich auch eine Folge davon, dass das Artkonzept und die darauf basierenden systematischen Konzepte auch nur Modelle für die Wirklichkeit sind, welche daher die Wirklichkeit nie relalitätsgetreu abbilden vermögen.

Die wissenschaftliche Bezeichnung der Arten folgt der, auf Linné zurückgehende, binäre oder binominale Nomenklautur und wird normalerweise kursiv dargestellt oder vor allem in älterer Litaratur auch unterstrichen. Die Bezeichnung setzt sich aus zwei Begriffen zusammen, dem mit Grossbuchstaben beginnenden Gattungsnamen und dem kleingeschriebenen Artbeinamen (Epitheton), welche zusammen den Artnamen ergeben. Beim Degu beispielsweise wäre Octodon der Gattungsname und degus das Epitheton. Oft werden noch der Name des Erstbeschreibers und das Jahr der Veröffentlichung der Erstbeschreibung angefügt. Beim Degu wäre das also "Octodon degus Molina 1782". Oberhalb der Arten werden die Taxa mit einteiligen oder unären Namen bezeichnet, welche nur aus einem Wort bestehen, beispielsweise die Nagetiere als Rodentia. Unterarten dagegen werden mit einer ternären Nomenklautur benannt, bei der dem Artnamen noch ein Begriff für die Bezeichung der Unterart angefügt wird.

Systematik der Nagetiere
Die Ordnung der Nagetiere (Rodentia) gehört zur Klasse der Säugetiere (Mammalia), Unterklasse der Eigentlichen Säuger (Theria) und Teilklasse der Höheren Säuger (Eutheria). Sie gehören zusammen mit den Hasentieren (Lagomorpha) zum Kohort (Überordnung) der Nager (Glires) (Huchon et al. 2002; Petzsch & Piechocki 2000; Carleton & Musser 2005). Neben den Hasentieren gehören auch die Primaten zu den engeren Verwandten der Nagetieren. Sie machen mit über 2000 Arten und 30-35 Familien (Carleton & Musser 2005; Singleton et al. 2006) ungefähr 40 % aller Säugetierarten aus (Huchon et al. 2002). Der Begriff Rodentia stammt von dem lateinischen Verb rodere, was "nagen" bedeutet (Singleton et al. 2006). Charakteristisch für die Nagetiere sind ihre scharfen, lebenslang nachwachsenden meisselförmigen Schneidezähne, fehlende Eckzähne und einer grossen Zahnlücke zwischen Schneidezähne und Backenzähne, welche als Diastema bekannt ist.

Als grösste Säugetier-Ordnung bleibt die Systematik der Nagetiere nach wie vor ein sehr umfangreiches Gebiet. Die Untersuchung der Verwandtschaft innerhalb der Nagetiere ist Gegenstand unzähliger Forschungsarbeiten. Trotz diesen Bemühungen ist die genauere Untergliederung der Nagetiere seit Jahrzehnten ein Thema, das bis heute nicht zufriedenstellend gelöst werden konnte. Dies zeichnet sich auch durch verschiedene Ansätze zur Untergliederung der Nagetiere aus. Am bekanntesten dürften da sicher die von Brandt 1855 vorgeschlagene Dreiteilung in Hystricomorpha, Myomorpha und Sciuromorpha und die von Tullberg 1899 vorgeschlagene Zweiteilung in Hystricognathi und Sciurognathi sein (Carleton & Musser 2005), welche auf dem Verlauf der Kaumuskeln (insbesondere des Musculus masseter) bei Brandt bzw. zusätzlich noch auf dem Verlauf der unteren Kieferknochen bei Tullberg basiert (Schunke 2004). In den meisten späteren Nagetiersystematiken wurde eine dieser beiden Ansätze übernommen (Carleton & Musser 2005). Wood ergänzte 1937 die von Brandt vorgeschlagene Unterteilung der Nagetiere um eine vierte Untergruppe, die Protogomorpha, welcher primitive und abgesehen vom Bergbiber (Aplodontia) nur fossile Arten angehören (Wood 1954). Andere Systematiken (u.a. McKenna & Bell 1997) untergliedern die Nagetiere in 5 bis 16 Untergruppen (Carleton & Musser 2005). Erschwert wird die Untergliederung durch die vielen Parallelentwicklungen, welche bei den Nagetieren zu ähnlichen Erscheinungen führten, welche aber mehrfach unabhängig entstanden waren (Wood 1954).

Trotz diesen Unklarheiten bei der Untergleiderung der Nagetiere, erwies sich die Ordnung selber als sehr stabil. Gross war daher das Aufsehen, als anfangs der 90er Jahre Forscher die Zugehörigkeit des Meerschweinchens, stellvertretend für die Hystricognatha, zu den Nagetieren in Frage stellten und aufgrund Untersuchungen an den Mitochondrien (mtDNA) zum Schluss kamen, dass sie als Unterordnung der Nagetiere aus phylogenetischer Sicht nicht haltbar sei und statt dessen eine eigene Ordnung bekommen sollten, welche quasi ein Schwestertaxon zu den Nagetieren bilden sollte, um so die Monophylie der Nagetiere weiterhin sicherzustellen (D'Erchia et al. 1996; Graur et al. 1991). Das löste eine Welle von Untersuchungen aus, bei welchen dank robusten Belegen für die Monophylie der Nagetiere, die vormaligen Ergebnisse widerlegt werden konnten (Huchon et al. 2002; Nedbal et al. 1996; vgl. Carleton & Musser 2005).

Quelle:
http://degu.re4.ch/ratgeber/allgemeines_systematik.html

Zitierte Literatur:
man möge die bitte hier nachschlagen: http://degu.re4.ch/ratgeber/quellen.html

Noch eine Anmerkung zum Schluss: ich habe versucht bei den Quellen möglichst tief in die Materie einzusteigen und habe versucht auch möglichst an Primärquellen heranzukommen. Das kostete mich viel Arbeit, aber ich hoffe, das war es wert und der Text bietet einen Mehrwert zu den üblichen Einleitungen in die Systematik (welche beispielsweise jedem besseren Tierratgeber eingebaut sind), welche nicht selten stark vereinfachend, etwas einseitig und veraltet daher kommen.

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